Wie Bindung entsteht
Wir sind alle soziale Wesen und darauf ausgelegt mit anderen zu interagieren, in Beziehung zu treten und uns zu binden. So gehören wir ein Stück weit zu einer Gesellschaft dazu. Die kleinste Form der Gesellschaft ist die Familie und wenn man das noch weiter eingrenzt, dann ist es die Beziehung -die Bindung - zwischen Mutter und Kind. (Jedenfalls ist sie das immer dann, wenn die Mutter die Hauptbezugsperson für das Kind ist.)
Mit unserer Geburt sind wir also in Beziehung mit unserer Hauptbezugsperson, meistens unsere Mutter und machen Erfahrung damit, wie sich das anfühlt, in Beziehung zu gehen. Im Idealfall fühlen wir uns geliebt und geborgen. Wir können unsere Fähigkeiten entwickeln, werden gefördert und es gibt Grenzen, in denen ich als Kind meine Autonomie gefahrlos entdecken kann. So bin ich sicher gebunden.
Der Hauptschlüssel, damit jemand sicher gebunden ist, ist die Feinfühligkeit mit der eine Mutter auf ihr Kind reagiert. Diese Erfahrung, die wir als kleine Kinder machen, nehmen wir mit in unser weiteres Leben und wir nehmen sie auch mit in unsere Beziehung. Dort können Sie uns bereichern, manchmal aber auch behindern.
Wie sich verschiedene Bindungstypen entwickeln
Bindungsverhalten ist gut erforscht. Wenn ihr euch die Arbeiten von John Bowlby, Mary Ainsworth oder James Robertson anguckt, könnt ihr nachlesen, wie Bindung im Kleinkindalter funktioniert und inzwischen wissen wir auch genügend darüber was deine Bindung in deiner Kindheit heute in deiner Beziehung erzeugt.
Die Bindungserfahrungen, die wir als Kind machen, beeinflussen zwei ganz grundlegende Dinge: Sie beeinflussen, wie wir uns selbst sehen und wahrnehmen, und sie beeinflussen, wie wir unsere Hauptbezugsperson / unsere Mutter und damit auch die Welt wahrnehmen.
So ergeben sich so vier Möglichkeiten, wie sich Bindung sich ausdrücken kann. Ich kann entweder mich selbst in einem positiven nicht oder in einem negativen Licht wahrnehmen und ich kann meine Mutter in einem guten oder in einem negativen Licht sehen und daraus ergeben sich vier Kombinationsmöglichkeiten.

Sichere Bindung als Kind - gut in Beziehung heute
Wenn ich sowohl mich selbst in einem guten Licht sehe, ich mich geliebt fühle und ich Geborgenheit erfahre, weil ich eine feinfühlige Mutter habe und ich meine Mutter als einen verlässlichen, sicheren Hafen erlebe, dann bin ich sicher gebunden.
60 bis 70 % der Bevölkerung sind sicher gebunden. Das bedeutet auch, dass Menschen mit diesem Bindungstyp häufig in guten und tragenden Partnerschaften sind. Natürlich kann man auch mal Pech haben! Menschen mit diesem Bindungstypen stolpern aber nicht von einer Beziehung in die nächste, sondern wünschen sich feste, dauerhafte Partnerschaften.
Wenn du einen sicher gebundener Typ bist, dann fühlst du dich geborgen und geliebt in deiner Beziehung. Du kannst Nähe zulassen und Emotionen offen zeigen. Du kannst feinfühlig auf die Bedürfnisse deines Partners /deiner Partnerin eingehen und auch einräumen, dass dein Lieblingsmensch Freiräume braucht. Wenn nötig suchst du aktiv nach Hilfe.
Bindung und Beziehung, wenn deine Eltern kein sicherer Hafen waren
Ein Viertel der Menschen bei uns gehört zum unsicher-vermeidend Bindungstyp. Das bedeutet, dass der Blick auf dich selber immer noch gut ist, du aber schlechte Erfahrung mit deinem Bindungspartner / mit deiner Mutter gemacht hast.
Du bist z. B. häufig zurückgewiesen worden oder niemand hatte für dich Zeit. Das führt dazu, dass du versuchst, dir deine Unabhängigkeit zu bewahren und dich nur schwer auf Beziehung einlassen kannst.
Wenn du zu diesem Typ gehörst, dann merkst du das heute in deiner Beziehung daran, dass du eher verschlossen bist. Du kannst Emotionen weniger gut zeigen und du bist dir oft unsicher, wie du auf deinen Partner / deine Partnerin reagieren sollst. Bei Problemen in deiner Beziehung suchst du kaum nach Hilfe.
Bindung und Selbstwert
Wenn der Blick auf deinen Bindungspartner positiv war, aber du in deiner Kindheit den Eindruck gewonnen hast, dass irgendwas mit dir nicht in Ordnung ist, du vielleicht weniger liebenswert sein könntest, dann gehörst du zum unsicher ambivalenten Typ.
Ungefähr 15 % von uns gehören diesem Typ an. Und die Sorge aus deiner Kindheit nämlich nicht liebenswert zu sein, bleibt. Als Erwachsener sucht du immer wieder die Bestätigung von deinem Partner oder deiner Partnerin.
Du neigst dazu zu klammern, wirst eifersüchtig oder hast Angst, verlassen zu werden. Du sehnst dich nach Nähe, aber das kannst du zum Teil schlecht zeigen und genauso wie Menschen vom unsicher-vermeidend Bindungstyp traust du dich auch hier nur selten nach Hilfe zu fragen.

Wenn du kaum gute Bidungserfahrungen gemacht hast
Wenn du in deiner Kindheit das Gefühl hattest, irgendwas ist mit mir nicht in Ordnung aber auch die Menschen um mich herum sind nicht verlässlich und weisen mich ständig zurück, dann gehörst du wahrscheinlich zum desorganisierten Bindungstyp.
Mensch mit diesem Bindungstyp fällt es schwer, in Beziehung zu gehen und dann auch Beziehungen langfristig zu halten. Du merkst es in deiner Beziehung daran, dass es dir nicht leicht fällt, deine Emotionen zu regulieren. Du bist vielleicht oft wütend oder aufgebracht und zeigst das auch sehr deutlich. Und du bist ziemlich misstrauisch in deiner Beziehungen.
Das führt dazu, dass du viel Streit und Krisen erlebst oder Partnerschaften nicht lange halten.

Bin ich sicher gebunden? Und was tun, wenn nicht
Ich würde uns allen wünschen, dass wir gute und sichere Bindungserfahrungen in unserer Kindheit gesammelt haben. Hier sind ein paar Fragen, mit den du das überprüfen kannst:
- Kannst dich gut auf deinen Partner einlassen und eine stabile Beziehung führen?
- Kannst du dich deinem Partner gegenüber öffnen, Schwächen zeigen und auch um Hilfe bitten?
- Habt ihr ein starkes Wirgefühl in eurer Beziehung?
- Gibt es viel Wärme und Nähe, wenn ihr zusammen seid?
- Hilfst du deinem Lieblingsmenschen, wenn es irgendwo brennt?
Wenn du diese Fragen mit "Ja" beantworten kannst oder zumindest die meisten, dann gehörst du zum sicheren Bindungstyp.
Wenn du oder dein*e Partner*in jetzt nicht zum sichern Bindungstyp gehörst, dann ist das noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn wir machen unser ganzes Leben lang Bindungserfahrungen.
Wenn ich also gute Erfahrungen in meiner Beziehung mache, fange ich vielleicht trotz meiner Kindheitserfahrungen an, nach Hilfe zu fragen. Oder ich kann Emotionen besser zeigen. Vielleicht kann ich lernen, weniger eifersüchtig sein zu müssen. Das alles sorgt dafür, dass sich meinen Bindungstyp mit der Zeit verschiebt.
Und auch wenn das nicht der Fall ist, kann dir ein achtsamer Umgang mit deinen Erfahren aus deiner Kindheit helfen, deine Beziehung im Hier und Jetzt zum Positiven zu verändern. Das fängt damit an, dass du dir bewusst machst, welcher Bindungstyp du bist und welche Auswirkung das auf deine Beziehung hat. So kannst du anfangen zu unterscheiden zwischen "das gehört eigentlich in meine Kindheit" und "das will ich im Hier und Jetzt leben".
Das ist manchmal gar nicht so einfach alleine umzusetzen. Wenn dir das schwerfällt, dann kann ich dir nur raten, dir einen guten Paartherapeuten zu suchen, der dich auf deinem Weg in eine bessere Beziehung unterstützt.
Das wirklich tolle an diesen Bindungstypen ist, dass sie dir ein Stück weit erklären, warum und wie du dich in deiner Beziehung fühlst und handelst. Und das gibt dir Spielraum, um etwas neu zu gestalten! Vielleicht helfen dir ja ein paar Tips dazu? Zum Beispiel mein Blogbeitrag Beser kommuniziern mit den 5 Sprachen der Liebe?
Bleib gut in Beziehung.
Dein Thorsten