Ziele für das neue Jahr
Skepsis! Skepsis war das Gefühl, das mich überrannte, als ich auf die noch leere Seite meines Bullet-Journals blickte. Die Aufgabe war klar, das Jahr neigte sich dem Ende zu und es war Zeit, Ziele für das neue Jahr festzuhalten. Ja, ich war ein wenig dem Selbstoptimierungs-Wahn verfallen und da gehörten vernünftige Ziele zum Jahresanfang gefälligst dazu. Um genau zu sein 1 Ziel für jeden Lebensbereich, Summa sumarum als 10 Ziele. Und nicht nur irgendwelche Ziele, sondern gut messbare, wohl fomulierte Ziele und natürlich ordentlich große Ziele sollten es sein.
Blöd nur, dass mir genau die gleichen Ziele einfielen wie im Jahr zuvor! Und die hatte ich trotz viel Mühe und Schweiß nicht oder nur im Ansatz erreicht. Wollte ich wirklich eine neue Runde "Versuchen und Scheitern" absolvieren? Was wäre heute anders als im Jahr davor? Mehr Motivation? Nein! Bessere Voraussetzungen - nein! Größeres Wissen? Eine bessere Strategie? Mehr Ressourcen? Nein, nein und nein!
Ein erstes Raunacht-Ritual?
Verdammt! Zeit für einen langen und Waldspaziergang! (Übrigens einer meiner Geheimtipps: Ein Aufenthalt in der Natur, um sich zu erden wirkt oft Wunder!)
Woher kam es, dass ich mir über Jahre die gleichen Ziele setzte, nur um jedes Mal zu scheitern? Alle meine Bemühungen fruchteten nur bis zu einem gewissen Punkt und dann fühlte es sich so an, als würde ich mich ständig selbst sabotieren bis ich schlussendlich wieder beim Ausgangspunkt angekommen war. Ganz egal ob es dabei um mehr Sport oder eine erfülltere Beziehung ging, ich kam einfach nicht vom Fleck.
Ein für meine Verhältnisse unorthodoxes Ziel schaffte es dann doch noch in mein Bullet-Journal. Ich wollte verstehen warum ich mir so oft selbst im Weg stand.
Heute - ein paar Jahre später - habe ich das zumindest im Ansatz verstanden. Man ist übrigens nie fertig damit zu verstehen, wie man selbst tickt, aber man wird besser und besser und kommt damit aus dem K(r)ampft gegen die eigenen Widerstände heraus.
Und noch etwas hat sich verändert, die Jahresübergänge sind jetzt mehr als bloßes Ziele abstecken. Die Raunächte sind ein achtsames und wirksames Ritual geworden, um bei mir selbst anzukommen und mich so auszurichten, dass ich mir selbst weniger im Weg stehe.

Raunächte, alte Rituale für heute
Mann könnte meinen, die Raunächte sind so alt wie die Menschheit, zumindest glaube ich, dass die Wintersonnenwende, die die Raunächte einläutet, schon immer eine besondere Rolle im Bewusstsein von uns Menschen gespielt hat. Die Wintersonnenwende am 21. Dezember ist die längte Nacht bzw. der kürzeste Tag des Jahres. Die 12 Tage und Nächte danach bis zu den Heiligen 3 Königen, sind die Raunächte.
Die Raunächte bedeuten für mich zur Ruhe zu kommen, wieder in Einklang mit mir und der Natur zu finden. Die Raunächte lohnen sich für 6 Tage Rückschau und 6 Tage für den Blick nach vorne, für allerlei Rituale, vor allem aber für Ruhe, zum Kraft schöpfen und neu ausrichten.
Du findest in Netz alle möglichen Rituale zu den Raunächten. Von Räuchern über geführte Meditationen bis zu Traumtagebüchern. Alles geht, nichts muss. Häufig steht jeder Tag für einen Monat des kommenden Jahres, der besonders zelebriert werden möchte.
Es lohnt sich also, sich mit den Raunächten zu beschäftigen und etwas zu finden, das für dich passt!
Für mich haben die Raunächte 2 tiefere Bedeutungen:
- Die Wintersonnenwende ist für mich eine Einladung von Mutter Natur, mich mit meiner eigenen Dunkelheit auseinanderzusetzen. Mit all dem, dass ich an mir nicht mag, das mir vielleicht unangenehm oder peinlich ist und mit all dem, dass im Dunkeln liegt und von mir noch nicht verstanden wurde.
- Gleichzeitig sind die Raunächte aber auch ein Versprechen auf mehr Licht. Auf Wärme, Wachstum und reiche Ernte. Denn die Tage werden unmerklich wieder länger und es lohnt sich auf das zu blicken, dass mir in meinem Leben Licht schenkt.
Mein eigenes, kleines Raunachtritual
Dieses Jahr haben mir Grippe und Corona einen ordentlich Strich durch die Rechnung gemacht. Statt 12 Tage ist es ein kleines Abendritual geworden. Vielleicht ist es ja trotzdem genau richtig für dich oder zumindest eine Anregung, wie du das neue Jahr ein wenig achtsamer beginnen kannst.
In der Podcast-Episode zu diesem Blog nehme ich dich übrigens mit und du kannst "life" dabei sein. Jetzt aber zu meinem kleinen Raunachtsritual:
Für mein kleines Ritual hat sich unser Haus- und Hofsee angeboten. 10 Minuten zu Fuß, begleitet von meinem Border-Colie Arko und wir stehen am Schweriner See.
Jetzt heißt es ankommen, durchatmen und zur Ruhe kommen, die Dunkelheit auf sich wirken lassen. Mit der Zeit gewöhnen sich meine Augen an das Dunkel und ich kann die Umrisse des Ufers und von Bäumen erkennen. Die Nacht ist dunkel, der Himmel bewölkt und weder Sterne noch Mond spenden Licht.
Ich sitze eine gute halbe Stunde im Dunkeln und lasse meine Gedanken schweifen. Wo möchte ich in meinem Alltag lieber nicht hinschauen? Wo stehe ich mir noch selbst im Weg? Welche inneren Anteile sind nicht gut versorgt?
Mir kommen meine Selbstzweifel in den Sinn, die mich auch heute noch gelegentlich ausbremsen. Bin ich gut genug als Partner, Vater oder Paartherapeut? Ich kenne diesen Anteil gut, der mich ja eigentlich nur beschützen will. Sich weniger einzubringen heißt vermeintlich ja auch weniger hart hinzufallen, wenn ich Fehler mache.
Ich weiß aber auch, dass das nicht stimmt. Sich weniger einzubringen bedeutet weniger zu leben und zu lieben. Ich beschließe mich bewusster meinen Selbstzweifeln zuzuwenden, wenn sie mir im Alltag begegnen, denn ich weiß: Alles inneren Anteile, die ich nicht gut versorge, ploppen an den unmöglichsten Stellen von alleine wieder auf und bremsen mich.
Mir kommen noch ein paar andere Gedanken in den Sinn, aber ich denke, das Prinzip mit der Dunkelheit hast du jetzt verstanden. Ich verabschiede mich von der Dunkelheit und suche mir einen Platz, an dem ich ein wenig Licht entfachen will. Ich habe mein Kienholz dabei, schabe ein paar Holzlocken ab und schlage mit einem Feuerstein ein paar Funken in das Zundernest. Ein Funke lodert auf, der mich in seinen Bann zieht. So klein und doch so hell! Wow!! (Eine Kerze und Streichhölzer hätten es bestimmt auch getan, aber ich fand es so uriger.)
Auch jetzt bleibt der Fokus noch auf dem vergangenen Jahr, bei den Menschen, die mir so viel Licht in mein Leben gebracht haben. Da sind Freunde mit den ich lachen und mich unterhalten konnte, da sind Mentoren die mir immer wieder neue Türen gezeigt haben, durch die ich gehen konnte. Da sind Menschen die ich liebe und von denen ich mich geliebt fühle.
Erst jetzt richte ich den Blick auf die Zukunft. Welche Menschen hätte ich gerne mehr in meinem Leben? Und wem möchte ich Licht spenden? Was kann ich tun, um heller zu leuchten, um mehr Wert für andere zu liefern?
Mit viel Dankbarkeit im Herzen und ein paar guten Zielen im Kopf verabschiede ich mich von dem Ort. Arko freut sich, dass es endlich wieder losgeht und zusammen treten wir den Heimweg an.
Das war mein Ritual! Wie wird deins aussehen?

Die Raunächte und deine Beziehung
Mein Raunachtritual war in erster Linie für mich. Meine Rückschau auf mein Leben und meine Ziele. Und doch ist es ein echter Gewinn für meine Beziehung. Warum? Weil alles mit allem verknüpft ist, weil Dinge, die du für dich tust, immer auch auf deine Beziehung wirken. IMMER!
Ein Ritual für dich ist als keineswegs egoistisch! Je mehr du bei dir selbst ankommst, umso authentischer kannst du in deiner Beziehung sein und es gibt nichts Besseres als authentisch und tief zu lieben.
Ein Raunachtritual kann also auch für deine Beziehung ein guter Start ins neue Jahr sein. Wie schön, wenn du diese Chance ergreifst.
Ich wünsche dir ganz viel Erfolg dabei.
Es grüßt und winkt.
Dein Thorsten